Dienstag, 5. Februar 2013
Auf Facebook stieß ich auf das Bild eines Kartendecks mit lauter berühmten Psychotherapeuten, lebende ebenso wie schon
dahingeschiedene. Alle waren als Karrikaturen dargestellt.
Ich dachte zuerst, dass es aus den USA stammen müsste, wurde es doch von der Milton H. Erickson Foundation vorgestellt und es tauchte auch bei den Profilen von amerikanischen Therapiegrößen auf. Doch ich ließ mich korrigieren: Es war ein deutscher Psychotherapeut und Künstler, der das ganze Kartendeck entworfen und gezeichnet hat: Andreas Steiner aus Köln.
Natürlich habe ich mir das Kartendeck bestellt und ich bin begeistert: Man kann es zum Kartenspielen ebenso verwenden wie für Trainingszwecke: Vom finden der Teams bis zu „Aufgabenkarten“, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt und sie sind auch nicht alltäglich, fallen also auf.
Auch kam ich mit Herrn Steiner in Kontakt und so ist dieses sehr interessante Interview mit ihm entstanden.
Bitte stellen Sie sich meinen Lesern kurz vor
Eigentlich bin ich vor allem bildender Künstler und wollte Kunst studieren. Die Kunstakademie sah das leider anders: Ich hatte alles, was ich hatte, in meine Mappe gepackt, meine besten Werke. Ich war in der Schule auf eine 1 abonniert, das war ein schwerer Schlag, abgelehnt zu werden; ich habe damals bestimmt ein Jahr lang kein Bild mehr gemalt. Heute sehe ich das als glückliche Fügung: Es war noch Zeit, sich für Psychologie zu bewerben, ein Fach, das ich in der Oberstufe erst kennengelernt hatte, und das ich sehr spannend fand. Das Zeichnen hat immerhin dafür gereicht, mein Studium mitzufinanzieren, ich habe nämlich Brett- und Kartenspiele illustriert. Das ist zwar eigentlich nicht sonderlich gut bezahlt, aber für einen Studenten war das richtig viel Geld. Außerdem ist es schon
überwältigend, seine kleinen Kritzeleien gedruckt zu sehen und überall in den Läden zu wissen. Ich wurde dann Psychotherapeut, ein großartiger Job, ich mache dadurch alles, was ich schon immer tun wollte. Ich hatte auch das Glück, einige sehr gute Ausbildungen zu machen, vor allem die Hypnotherapie nach Milton Erickson und systemische Therapie, unglaublich kreative Ansätze, wogegen ich die traditionelle Verhaltenstherapie sehr langweilig finde. Ich bin mittlerweile seit fast 20 Jahren tätig. Demnächst starte ich sogar eine eigene Therapieausbildung an der Universität zu Köln.
Sie haben ein Spielkartendeck mit berühmten Psychotherapeuten entwickelt. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Ich habe schon in der Schule Karikaturen von meinen Lehrern gezeichnet. Spiele und Spielkarten haben mich schon immer begeistert. Schon damals habe ich ein „Lehrer-Kartenspiel“ gemacht und bin in meiner Schule deshalb richtig bekannt gewesen. Ich habe jetzt einfach eine alte Idee wieder aufgegriffen, nur ausgereifter und professioneller.
Vor der Idee bis zur Umsetzung, wie lange hat es gedauert?
Ursprünglich hatte ich die Sommerferien letzten Jahres dafür veranschlagt, aber dann war es doch viel aufwändiger als ich dachte. Letztendlich habe ich 3 Monate gebraucht. Dann ging es auch immer schneller; anfangs war es wirklich Knochenarbeit. Für die
Karikatur meines Freundes Jeff Zeig habe ich bestimmt eine Woche gebraucht, dann ging es immer schneller. Am Ende habe ich 6 Stück am Tag geschafft. Dass sich die Milton Erickson Foundation dann dafür interessiert hat, hat natürlich die Motivation gesteigert.
Gab es irgendwelche Schwierigkeiten? Mussten Sie Genehmigungen einholen von Verbänden o.ä.?
Wenn Karikaturisten erst die Erlaubnis einholen müssten, ob sie jemanden karikieren dürfen, wären viele sehr schnell arbeitslos. Ich glaube kaum, dass Helmut Kohl begeistert eingewilligt hätte, hätte man ihn gefragt, ob man ihn als debile Birne darstellen darf. Nein, ich habe einfach losgelegt. Eine sehr bekannte amerikanische Kollegin war allerdings sehr wütend auf mich wegen ihrer Darstellung anlässlich des „Evolution of Psychotherapy“-Kongresses, zu dem ich eine Karikatur gemacht hatte. Daher kommt sie im aktuellen Deck nicht vor, obwohl ihr rein fachlich eigentlich ein Platz gebührt hätte. Jetzt ist sie sauer, dass sie nicht drin ist. Die meisten Kollegen fühlten sich eher geehrt, im Kartenspiel vorzukommen. Ich ziele ohnehin nicht darauf ab, jemanden zu beleidigen. Ich will ein paar Sachen nur etwas durch den Kakao ziehen. Und immerhin ist das Spiel ja eine Art Auflistung der bedeutendsten Therapeuten.
Sie haben auch einen Roman veröffentlicht. Worum geht es da?
Das war ein Herzensprojekt von mir – anders schafft man es aber wohl auch nicht, einen 600 Seiten starken Roman zu schreiben. Inspiriert ist er von der therapeutischen Arbeit mit der Familiengeschichte, wie ich sie in der systemischen Therapie kennengelernt
habe. Es ist eine Familiensaga, ausgehend von einem jungen Schriftsteller, der von schrecklichen Ängsten geplagt wird, und die natürlich loswerden will. Er macht sich, angeregt durch eine jüdische Psychotherapeutin, die selbst viel erlebt hat, auf die Suche nach seinen Ahnen, und entdeckt, dass seine ständig wiederkehrenden Albträume mit Ereignissen zu tun haben, die er gar nicht selber erlebt hat, die aber in seiner Familie seit Generationen eine unheilvolle Wirkung entfalten. Gleichzeitig ist es ein Mystery-Roman, nämlich Derjenige, dessen Ängste der Hauptprotagonist trägt (sein Urgroßvater), und der jene schlimmen Dinge tatsächlich erlebt hat, existiert noch immer in einer Parallelwelt, in der die Toten unbewusst genau das wiederholen, was sie im realen Leben erfahren haben. Beide machen sich auf die Suche nach einander. Das Ganze wird beschrieben auf dem historischen Hintergrund des gesamten 20. Jahrhunderts (und noch davor), enthält satte Fantasy- und Horror-Elemente, ist aber letztendlich eine allegorische Schilderung einer erfolgreichen Psychotherapie – und darüber hinaus schlicht eine spannende Geschichte, die man ohne jede therapeutische Vorbildung genießen kann.
Vielen Dank für dieses sehr interessante Interview, Herr Steiner.